#46: DDR Grenzgebiet

Auf der Suche nach einer Gegend im Harz, die ich noch nicht erkundet habe, stieß ich nach ein paar Recherchen im Internet auf eine alte DDR Grenzanlage. Mitten im Wald stieg ein riesiger Beobachtungsturm empor, das musste ich mir genauer anschauen.

Unterwegs Richtung Sorge

Samstag 07:00 Uhr: Während mein Mann mit unserem Hund in den Garten fuhr (und ich bin  laut seiner Aussage verrückt, am Wochenende so zeitig loszufahren?!?), stand für Niklas und mich das Freilandmuseum in Sorge auf dem Programm.

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Nach einem kurzen Stopp bei McDonalds, sackten wir Sven ein. Ich war etwas verwundert, das er mitkahm, denn  der Wetterbericht prognostizierte Regen. Eigentlich freut er sich mehr über traumhafte Sonnenauf- und -untergänge.

Fünf Minuten vor unserer Ankunft prasselte das kühle Nass auf die Frontscheibe. Eine perfekte Belastungsprobe für mein neues Schuhwerk. Die letzten Touren bin ich mit meinen Schuhen immer weggerutscht, sodass etwas Neues hermusste. Das meine Regenjacke allerdings an dem Tag keine Lust hatte, mich trocken zu halten, damit rechnete ich nicht.

Wir stiegen aus dem Auto und bereiteten uns auf eine sehr feuchtfröhliche Tour vor. Die Kapuzen saßen auf unseren Köpfen, der Regenschutz wurde über den Rucksack gestülpt und die Schuhe zogen wir fest zu.

Ankunft am Grenzzaun II

Keine zehn Minuten später standen wir vor dem Grenzzaun II. Man nannte ihn auch Signalzaun, denn damals lag eine Niederspannung drauf, die bei Berührung Alarm auslöste. Das Gefährliche an der Sache, dieser Alarm wurde nur von den Soldaten in der Kaserne gehört.

Ich glaube es gibt keine Beschreibung dafür, wie sich die Menschen damals gefühlt haben müssen. Wenn ich mir überlege, plötzlich wäre auf einem Wanderweg Schluss, unvorstellbar.

Der Erdbunker

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Wie ihr auf dem Bild oben sehen könnt, ist der Betonbunker  mit Schlitzen versehen, um den Umkreis zu überwachen. Die zwei folgenden Bilder entstanden aus dem Erdbunker heraus.

Wir befanden uns mittlerweile auf dem Kolonnenweg in Richtung Beobachtungsturm. Absolute Stille umgab uns, nicht eine Menschenseele war zu sehen. Dass wir uns gerade in einer ehemaligen Todeszone befanden, hinterlässt ein leicht mulmiges Gefühl im Bauch.

Durch den Wald Richtung Todesstreifen

Immer wieder kam es vor, das Flüchtlinge zu DDR-Zeiten den Grenzzaun überquerten. Ein Grenzdurchbruch musste unter allen Umständen verhindert werden. Obwohl es offiziell keinen Schießbefehl gab, wurden die Soldaten intern angehalten, gezielt zu feuern.

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Ein trauriges Beispiel, dass die Grenzsoldaten auch vor Jugendlichen keinen Halt machten, waren Uwe Fleischhauer und Heiko Runge aus meiner Heimatstadt Halle (Saale). Die beiden Jungs fuhren mit dem Zug in den Harz, um die Grenze bei Sorge zu überqueren.

Während die beiden Jungs den Signalzaun passierten, bezogen die Soldaten kurz danach bereits ihre Stellung, die Waffen im Anschlag. Kurz nachdem die Beiden aus dem Waldstück kamen und vor dem Grenzzaun I standen, eröffneten die Soldaten ohne Vorwarnung das Feuer.

Uwe konnte sich rechtzeitig auf den Boden schmeißen, doch Heiko versuchte wegzurennen und wurde erschossen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, vertuschte die Stasi den Zwischenfall, indem sie Beweise fälschte. Und warum? Damit das Ansehen der DDR nicht noch weiter beschädigt wird.

Falls ihr euch näher für die Geschichte dahinter interessiert, empfehle ich euch die ZDF Doku Tödliche Grenze – Der Schütze und sein Opfer. Den Link dazu findet ihr unten in der Quellenangabe.

Für uns ging es weiter durch den Wald. Durch den starken Regen entschieden wir uns kurzfristig, die Route abzukürzen. Meine „Regenjacke“ ließ bereits die erste Nässe an den Ärmeln ins Innere durch. Diesmal war der Regen selbst mir zu viel.

Die neuen Schuhe hielten meine Füße warm und trocken, die Ärmel meines Pullovers konnte ich jedoch auswringen. Naja, die neue Regenjacke lag bereits online im Warenkorb, gibts die wohl doch schneller als geplant.

Definitiv war das eine der lehrreichsten Touren für mich. Zum Glück veränderten sich die Zeiten mit dem Mauerfall zum Positiven. Solltet ihr Mal in der Nähe von Sorge sein, schaut euch das Freilandmuseum an, ihr werdet es nicht bereuen.

Wenn ihr nichts verpassen wollt, folgt gerne meinem Blog. Keine Sorge, ich bombardiere niemanden mit Mails zu. Die nächste Tour ist bereits in Planung und ich freue mich, wenn ihr mich weiterhin begleitet.

Quellen:

http://www.grenzmuseum-sorge.de

https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzeit/toedliche-grenze—der-schuetze-und-sein-opfer-102.html

16 Kommentare

  1. Sehr schöner Kommentar in Wort/Bild.👍
    Es war ein trauriges Kapitel der ehemaligen DDR.Möge sich so etwas nie wiederholen.

  2. Auch wir waren dieses Jahr im Thüringer Wald ein Stück auf dem Grenzstreifen unterwegs. Ich sage nur „Uhhh!“. Es war faszinierend, aber auch sehr bedrückend. Wir hatten Sonnenschein, aber bei so einem trüben Wetter wirkt der Lochplatten-Weg noch tiefer …

  3. ein wirklich toller Blog, mit wunderbaren Bildern und Texten

  4. Elend und Sorge, genau da hat mein Kollege damals gedient an der Grenze. Ich muss ihm deine Bilder glatt mal zeigen^^. Wieder sehr schön düster und stimmungsvoll, ganz nach meinem (unseren) Geschmack Chrissi 🙂

  5. Die Stimmung ist super eingefangen. So richtig bedrückend. Wie wird es damals am realen Grenzzaun ausgesehen haben?

    LG Bernhard

    • Vielen Dank Bernhard. Was du auf den Bildern siehst, sind originale Überbleibsel vom damaligen Grenzzaun. Wie die gesamte Anlage damals in etwa aussah, kann man anhand des Videos grob nachvollziehen 😉

  6. einfach nur WOW!! Mir gefällt allgemein die Stimmung in deinen Fotos unfassbar gut

  7. Die Wanderungen in diesen Gebieten fand ich auch unglaublich spannend und lehrreich, aber auch irgendwie erschreckend. Besonders als ich las, dass der Nirosta Stahl für den Zaun über den Umweg Schweden aus der BRD geliefert wurde.

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